Mindestens fünf Partygänger stecken sich in einem Zürcher Klub mit dem Coronavirus an. Ordnet der Kanton bald wieder Klubschliessungen an? Im Kanton Zürich ist ein erster Superspreader-Fall nach Aufhebung des Lockdown bekannt geworden. Die Gesundheitsdirektion droht bereits mit Schliessungen, sollte es zu weiteren Fällen kommen. André Müller und Urs Bühler 1 Kommentar Aktualisiert 28.06.2020, 10.48 Uhr Drucken Teilen In einem Zürcher Klub haben sich am 21. Juni zahlreiche Partygänger das Coronavirus geholt. In einem Zürcher Klub haben sich am 21. Juni zahlreiche Partygänger das Coronavirus geholt. Annick Ramp / NZZ Die Corona-Pandemie ist nicht vorbei, nicht in der Schweiz und nicht in Zürich. Nur eine Woche nach der Aufhebung der ausserordentlichen Lage im Land muss der Kanton Zürich seinen ersten Superspreader vermelden: Ein Mann, der am 21. Juni im Klub Flamingo an der Limmatstrasse im Zürcher Kreis 5 getanzt hatte, wurde am 25. Juni positiv auf Sars-Cov-2 getestet, nachdem er Symptome entwickelt hatte. Einen Tag später haben fünf weitere Personen, die mit ihm den Klub besucht haben, Symptome entwickelt. Auch sie sind alle positiv auf das Coronavirus getestet worden, wie die Gesundheitsdirektion des Kantons Zürich am Samstagabend mitteilt. Selbstquarantäne angeordnet Die Gesundheitsdirektion hat nun für alle knapp 300 Personen, die den Klub am 21. Juni besucht haben, Selbstquarantäne angeordnet. Man habe die Liste der Gäste mit allen Kontaktangaben bereits erhalten. «Der Klub hat vorbildlich gehandelt», sagt Marcel Odermatt, der Sprecher der Gesundheitsdirektion. Man versuche sie nun alle zu erreichen. «Wir hoffen auch, dass über die Medienberichterstattung der eine oder andere Gast bereits darauf aufmerksam wird.» Noch ist nicht klar, wo sich der Mann, der schon am 25. Juni positiv getestet worden war, selbst angesteckt hat. Was man laut Odermatt weiss: «Weitere Infektionen, die uns bereits gemeldet worden sind, stehen im Zusammenhang mit der Person.» Die Vermutung, dass er das Virus in den Klub getragen hat, liegt also nahe. Wie viele Leute sich insgesamt in jener verhängnisvollen Partynacht angesteckt haben, weiss man selbstredend auch noch nicht. Der Klub hatte laut verschiedenen Medienberichten dieses Wochenende normal geöffnet, doch soll der Betreiber das Personal ausgewechselt haben. Die 300 Personen werden nicht alle sofort getestet; nur diejenigen, die Symptome entwickelt haben. «Alle anderen Personen bleiben für zehn Tage in Quarantäne», erläutert der Sprecher. In asiatischen Ländern wie Taiwan werden Personen in Quarantäne teilweise sehr strikt überwacht, in der Schweiz ist das nicht der Fall. «Eine scharfe Kontrolle ist schwierig», sagt Odermatt. Diese Frage habe man ja bereits zu Beginn der Pandemie diskutiert: «Die Eigenverantwortung ist enorm wichtig. Wenn wir das Virus bekämpfen wollen, braucht es die Solidarität aller.» Das Contact Tracing stehe und falle damit, dass man die nötigen Informationen bekomme und sich die Personen kooperativ zeigten. Für die Klubszene ist der Fall ein herber Rückschlag auf dem steinigen Weg zurück aus der Krise. Nach mehreren Monaten Stillstand, die einige von ihnen wirtschaftlich bereits nah an den Ruin geführt haben, haben die Nachtlokale erst seit wenigen Wochen wieder die Türen für ihre Gäste geöffnet. Seither sind Anlässe mit zu 300 Besuchern pro Abend wieder erlaubt, seit 22. Juni auch Öffnungszeiten über Mitternacht hinaus – und unter bestimmten Auflagen können bis zu 1000 Personen hereingelassen werden. Appelle und Warnungen vom Kanton Die Frage steht natürlich im Raum, ob dieser Öffnungsschritt verfrüht und zu umfassend erfolgte. Marcel Odermatt sagt, man sei noch nicht so weit, dass man hierauf eine Antwort geben könne. «Diese Diskussion wird nun in den nächsten Tagen sehr breit geführt werden. Wir befinden uns nicht mehr in der ausserordentlichen Lage. Das heisst, unsere Kantonsärztin wird sich genau solche Fragen stellen müssen.» In ihrer Mitteilung droht die Zürcher Gesundheitsdirektion aber schon recht deutlich mit Verschärfungen: «Im Falle weiterer Superspreader-Events müssen Klubschliessungen in Betracht gezogen werden.» Sie bittet Zürcher sowie Gäste von ausserhalb, «vorsichtig zu sein und Menschenansammlungen zu meiden.» Wenn der Mindestabstand nicht eingehalten werden könne, solle man eine Maske tragen. Zudem solle man schon bei leichten Krankheitssymptomen zu Hause bleiben. Hält man sich an diese Auslegeordnung, ist an entspanntes Tanzen im Klub eigentlich nicht zu denken. Diese Widersprüchlichkeit prägte das Ausgangsleben, das ja ganz auf Nähe ausgerichtet ist, bereits seit der Öffnung. Die erste grosse Ansteckungsserie in einem Zürcher Klub bringt das Problem jetzt wieder schmerzlich ans Licht. Rolle der Covid-19-App Alexander Bücheli, Sprecher einer als Bar- und Clubkommission Zürich bekannten Interessenvereinigung, die sich als Sprachrohr der Branche versteht, will am Sonntagmorgen auf Anfrage keine vertiefende Einschätzung zum Fall abgeben. Er bezeichnet sich vor allem als «genervt« darüber, dass nun alle auf eine Branche zeigen würden, die sich nichts Illegales müsse vorwerfen lassen. Man will laut Bücheli frühestens am Nachmittag ein offizielles Statement liefern und sich zuerst mit der kantonalen Volkswirtschaftsdirektion austauschen. Dieser hat der Verein Ende Woche laut einer Meldung von Radio 1 den Vorschlag unterbreitet, die Contact-Tracing-App des Bundes künftig sozusagen als Eintrittskarte für Klubs und Veranstaltungsorte einzusetzen. Nicht näher kommentieren will Bücheli namentlich eine im Radio zitierte Forderung des Vereins, die Beschränkung der Gästezahl weiter zu lockern, wenn alle Besucher die App aktiv nutzten oder andernfalls eine Schutzmaske tragen. Unterteilung in Sektoren Es gehe zurzeit nicht um eine Erhöhung der Kapazitätsgrenze an sich, präzisiert Bücheli – höchstens um eine Lockerung der Regel, Sektoren zu schaffen: Seit einigen Tagen sind zwar wieder Anlässe für bis zu 1000 Personen erlaubt, doch müssen die Veranstalter garantieren, dass ihr Raumangebot dabei strikt in Einheiten mit maximal 300 Gästen unterteilt ist. Die Zürcher Klubs haben laut Angaben des Vereins im Schnitt ein Fassungsvermögen von etwa 400 Personen, was wegen des Durchlaufs einer Zahl von rund 600 Gästen pro entspricht. Schon vor Wochen warnten Experten davor, dass sogenannte Hotspots entscheidend für den derzeitigen Verlauf der Pandemie sein dürften. Das sind Orte mit explosionsartigen Ausbrüchen, an denen ein Superspreader mehrere Menschen auf einmal ansteckt, die dann das Virus in ihrem beruflichen oder privaten Umfeld weitergeben. Eindämmen helfen soll diese Gefahr unter anderem die Contact-Tracing-App des Bundes, die hierzulande seit einigen Tagen bereit steht und schon über eine halbe Million Downloads verzeichnet. ---------------------------------------